How NOT to organize a tournament
Keywords: Culture & History
Anleitung für ein mißglücktes Go-Turnier
Entstanden aus jahrelanger Erfahrung. Nein, wir sagen jetzt nicht, bei welchen Turnieren...
Vor dem Turnier
- Verlege kurzfristig den Turnierraum, aber bringe Hinweiszettel erst dort an, wo die Suchenden den neuen Raum schon sehen können!
- Geänderte Örtlichkeiten haben nichts auf Webseiten verloren! Sie nehmen den Besuchern viel vom Überraschungseffekt!
- Verzichte konsequent auf Einladungsflyer. Falls sie aber doch sein müssen, dann ist die Verschickung der Flyer an den Menschen, der sie verteilen möchte, eine Woche vor Turnierbeginn optimal. Abzüglich des Postweges verbleiben dem-/derjenigen noch maximal vier Tage, um die Flyer auf Spieltreffs der Gegend zu verteilen. Wenig genug, um Wirksamkeit auszuschließen!
- Sollte jemand vorfristig auf die Idee kommen, Flyer für Dein Turnier anzufertigen und verteilen zu wollen, dann verweise auf die technische Unzulänglichkeit seines Produktes und daß Du in Kürze etwas Besseres herstellen und ihm zusenden wirst. Weiter wie oben!
- Verzichte auf jegliche Turnierausschilderung. Als Begründung bringe vor, daß dies entbehrlich ist, da der Weg im Internet beschrieben ist! Diese Methode ist besonders wirksam bei ausländischen Besuchern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind!
- Spare Klebestreifen. Wenn sich Hinweisschilder schon nicht vermeiden lassen, dann genügt ein einzelner - möglichst kurzer! - Tesastreifen pro Blatt Papier vollauf. Gerade dann, wenn Wind und Wetter zu widerstehen ist. Merke: Ein Blatt, ein Streifen! Und da Wegausschilderungen sowieso überflüssig wie ein Kropf sind, spare Dir die Zeit eines Kontrollganges. Schließlich hast Du die Zettel höchstselbst mit einem einzelnen Tesastreifen angeklebt! Was soll da schon schiefgehen! Den etwaigen Hinweis auf fehlende Ausschilderung kannst Du dann um so überzeugender mit einem: "Ja, da müssen irgendwelche die Blätter immer wieder abreißen!" begegnen.
- Wenn eine Turnierwebseite vorhanden ist, die sich die potentiellen Teilnehmer vielleicht ausdrucken - achte darauf, daß die Turniertelefonummer keinesfalls dort erscheint. Stelle sie stattdessen z.B. ins Impressum. Du erreichst dadurch, daß die Leute dann während der Fahrt Freunde und Verwandte anrufen, um auf diesem Wege die gerade benötigte Telefonnummer herauszubekommen. Kurz: Du verstärkst ihre soziale Kompetenz!
- Verzichte ganz auf Internet und andere Ankündigungen und Informationen. Die Leute wissen eh Bescheid.
- Voranmeldungen sind für die Auslosung uninteressant, nimm einfach die Teilnehmerliste vom letzten Jahr. Wenn Dir das zu unsicher ist, ob alle teilnehmenden Go-Spieler erfaßt sind, nimm die Listen der letzten drei Jahre. Dann brauchen sich die anwesenden Go-Spieler(Innen) in den aushängenden Listen nur noch markieren und schon hast Du Dir viel Tiparbeit gespart! Gegen diesen Vorteil verblaßt der Nachteil, wenn Du dann bis zu viermal die Partien abbrechen und neuauslosen mußt, weil immer wieder Spieler(Innen) in der Losung nicht auftauchen!
- Beharre auf dem von Dir gewählten Kalendertermin, denn der ist der einzig richtig und wichtige. Je mehr Turniere gleichzeitig stattfinden, desto besser, denn das ein Beweis dafür, daß Du einen richtigen, weil beliebten Termin gewählt hast!
- Eine möglichst kurzfristige Terminänderung für das Turnier ist sehr vorteilhaft, besonders wenn mensch weiß, dass einige Teilnehmer bereits eine Flug gebucht haben. Auch wenn mensch das nicht weiß, hat so eine Terminverschiebung oft großen Erfolg.
- Befasse dich frühestens am Vorabend erstmalig mit dem Losungsprogramm. Deine natürlich wirkende Unsicherheit, deine hilfesuchenden Blicke wirken sympathisch und deine wiederholten Bitten um Hilfe bei der Bedienung des Programms eröffnen viele neue Kontaktmöglichkeiten zwischen Turnierleiter und Spielern.
- Erzeuge möglichst viele Phantomspieler in Deinen Listen, in dem Du verschiedene Schreibweisen für einen bestimmten Namen wählst. Für den Namen "Annette" bieten sich z. B. diese Varianten an: Anett, Annete, Anette, Aneth, usw. usf. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt!
Während des Turniers
- Plaziere die Koch- und Getränkeecke unmittelbar vor der Toilettentür - das spart den Teilnehmern viel Zeit, da sie alles mit einmal erledigen können!
- Setze einen Grillabend an, aber kontrolliere keinesfalls, ob ein Grill überhaupt vorhanden ist!
- Ebenso sind Köche immer wieder erfreut, wenn sich die versprochenen Herdplatten nicht anfinden lassen. Verstecke dazu die Herdplatten gut, aber schreibe Dir nicht auf, wo und daß. Etwaigen Unmutsäußerungen kannst Du dann umso glaubwürdiger die trostreichen Worte entgegnen, daß die Herdplatten noch letzte Woche wirklich da waren!
- Wenn Turnierverpflegung im Startgeld enthalten ist, dann hüte die Verpflegungsvorräte wie Deinen Augapfel. Für das bißchen Verärgerung bei den Turnierteilnehmern wirst Du fürstlich dadurch entlohnt, wenn die paar Abbauhelfer in den nächsten Wochen keine Verpflegung kaufen müssen!
- Meide auf Deinen Zetteln starke Farbkontraste. So was wie Schwarz auf Dunkelblau ist gut und vermeidet zu schnelle Aha-Effekte bei den Spieler. Merke: Nur aufwendig erlangte Infos bleiben im Gedächtnis!
- Lose immer einige Paarungen nach Gusto per Hand aus. Merke: Nur der Turnierleiter hat den Durchblick und er allein entscheidet, wer wie stark und mit wem spielt!
- DGoZ-Exemplare sind auf einem Turnier völlig fehl am Platz. Im schlimmsten Falle könnten damit Neumitglieder geworben werden, was wiederum die Gefahr erhöht, daß diese Leute im nächsten Jahr wiederkommen. Auch Infostände und Aushänge würden das Turnierbild nur stören.
- Mehrere weit voneinander entfernte Turnierräume, möglichst in verschiedenen Etagen und ohne jegliche Wegausschilderung sind prima. Das schult den Spürsinn der Teilnehmer(i)nnen.
- Die Computer unbedingt in einem weit vom Turnierraum entfernten Raum unterbringen, möglichst in einer anderen Etage. Weiterhin siehe keine Möglichkeit vor, Turnierergebnisse zu hinterlassen. Beide Maßnahmen zusammen verringern entscheidend die Wahrscheinlichkeit, daß die Ergebnisse vollständig und zeitnah eintreffen und führen zu einer angenehmen Entkrampfung des angespannten Turnierplans.
- Organisiere so viel wie mögliche Freilose. Am ersten Turniertag sind Phantomspieler(innen) in den Listen dafür besonders geeignet. Die kann mensch problemlos in allen drei Runden auslosen und generiert damit schon eine erkleckliche Anzahl kampfloser Siege. Am Sonntag bieten sich dazu die Nichtteilnehmer(innen) an, in dem man/frau ihre Abmeldung ignoriert. Kampflose Siege sind immer sehr begehrt und stellen die eigentliche Motivation der Teilnehmer dar, zu einem weit entfernten Turnier zu fahren!
- Lose gnadenlos und unbedingt nach EGF-Rating aus. Laß Dich nicht erweichen! Da mag der 15k Stein und Bein schwören, daß er jetzt schon 10k sei. Keine Ausnahmen! Nur die Ratingliste ist objektiv! 10k? Pah, da könnte ja jede(r) kommen!
- Wünschen am Turnierort übernachtende Spieler den Angabe einer Handynummer, so notiere diese wohl auf mehreren Zetteln, aber lege alle übereinandergestapelt an möglichst unauffälliger Stelle ab. Vermeide auch vorsichtshalber, einen Namen oder ähnliche Infos dazuzuschreiben, die pure Handynummer ist ausreichend! Mit diesen Maßnahmen garantierst Du der Turnierleitung eine ungestörte Nachtruhe, ohne den Teilnehmern gegenüber allzu unfreundlich zu sein, denn schließlich hast Du ja ihren Wunsch erfüllt!
- In dem Fall, dass das Turnier auf mehrere Räume verteilt wird, müssen natürlich in den Pausen zwischen den Runden die Räume abgeschlossen werden, in denen sich keine Spieler befindet. Wohl aber deren Rucksäcke oder anderes!
- Falls das Turnier in Uni-Räumen stattfindet, informiere mensch keinesfalls die für den Schließdienst zuständigen Hausmeister! Es kann sehr erleuchtend sein, am Samstagabend in einer fremden Stadt und in einer fremden Uni eingeschlossen zu sein!
Nach dem Turnier
- Behalte die Turnierergebnisse für Dich, sie gehen niemanden etwas an! Datenschützer sind begeistert, wenn auch Wochen nach dem Turnier keine Ergebnislisten im Internet zu finden sind. Merke: Meine Daten gehören mir!
- Wenn Ergebnislisten nicht zu umgehen sind, dann gib sie erst raus, wenn sich der (Turnier-)Staub gelegt hat. Nach vier Wochen sollten sich die panischen Anfragen nach den Ergebnissen gelegt haben. Nun ist der richtige Zeitpunkt für eine Veröffentlichung gekommen.
- Ein völliges Fehlen jeglicher Berichterstattung verhindert recht zielsicher Teilnehmerzuwachs im nächsten Jahr. Es kann aber passieren, dass irrtümlicherweise einige Teilnehmmer positive Gerüchte über das Turnier streuen. Um dem entgegenzuwirken, sollte mensch sich in Internetforen ausgiebig über die chaotische Organisation auslassen.
- Fotos schön für sich behalten, denn sie könnten Neugierde aufs Turnier im nächsten Jahr entfachen. Aber wenn mensch sie leider doch online stellen muss, dann frühestens ein halbes Jahr später, wenn sich niemand mehr dafür interessiert.
- Ein funktionierendes Turnier ist unerträglich und der Wiederholungsfall muß zuverlässig ausgeschlossen werden! Dafür sollte mensch sich vor allem der erfolgreichen Turnierorganisatoren entledigen. Sinnvoll ist dazu, Rechnungen (z. B. der Cateringfirma) nicht zu bezahlen. Die Firma verklagt dann den direkten Auftraggeber, was in der Regel einer der Organisatoren ist. Ätsch, selber schuld! Begründen könnte mensch das dadurch, daß der Turnierbericht noch nicht zur Zufriedenheit ausgefallen ist!
- Vermeide streng die Weitergabe der Ergebnislisten an die EGF-Ratingliste. Wenn die Teilnehmer schon so frech sind, an Deinem Turnier teilzunehmen, dann kannst Du sie nicht auch noch belohnen!
Sonstiges
- Bestreite immer die aufgetretenen Fehler und gib sie keinesfalls zu! Dann brauchst Du sie beim nächsten Mal auch nicht zu vermeiden!
- Wenn in Deinem Zeitplan am Sonntag ein Frühstück vorgesehen ist und um 10 Uhr die nächste Runde beginnt, setze das Frühstück frühestens 9:30 Uhr an. Achte dann darauf, daß Du wirklich erst um 9:30 Uhr beginnst, Dich um eine Kaffeemaschine zu kümmern. Schließlich soll man/frau sich auch beim Go nicht zu früh festlegen!
- Vermeide Ordnung und Sauberkeit. Klebende Tische und reichlich Glasscherben vor dem Turnierort sind ideal! Gerade ältere Herrschaften wissen es sehr zu schätzen, auf diese Weise an die eigene studentische Sturm-und-Drang-Zeit erinnert zu werden.
- Beschränke Dich auf das wesentliche. Spielmaterial wird eh überschätzt. Wenn nicht genug da ist, lasse die Teilnehmer(I)nnen durch die Gegend fahren, um es zu besorgen.
- Neue Go-Spieler am Jahresanfang sind unwichtig, denn da würde sowieso nur der DGoB die Hand aufhalten und der lokale Klub hat wenig davon. Mitglieder gibt’s außerdem eh genug.
- Deutsche Meisterschaften bedürfen keinerlei Vorbereitung, sie können einfach so stattfinden. Falls das unangenehmerweise tatsächlich klappt (weil Organisator und Teilnehmer die DM selbst in die Hand nehmen) kann und muß mensch denen hinterher erklären, wie man es eigentlich hätte haben wollen. Und um ihren Einsatz richtig zu würdigen, werden Belege erst verschlampt, dann wird um Ersatzbelege gebeten und schließlich mußt Du nach Wiederfinden der Orginale Dir die Mühe machen, einige Euro zurückzuzahlen. Nieder mit der Deutschen Meisterschaft!!!
- Bitte keinesfalls altgedienten Gospieler(innen) und erfahrenen Turnierorganisatoren um Hinweise und Tips. Was sollen die schon wissen! Nur ein neuerfundenes Fahrrad fährt gut!
- Gibt es Fehler, so hüte Dich, diese zu benennen oder zu beseitigen. Sonst verdirbst Du den anderen den Spaß am lästern.
- Gibt es einen Sponsor, der ein Geschenk für die Teilnehmer Deines Turniers stellt und werden diese dann tatsächlich von jemandem an den Turnierort gebracht, so verstecke den Karton unauffällig. Wenn Du ihn nach Turnierende an den freundlichen Spender zurückschickst, hat dieser Zug, wie beim Go, gleich doppelte Bedeutung: Du verhinderst unerwünschte Freude bei den Teilnehmern und verärgerst aufdringliche Sponsoren.
- Nimm jede Kritik zutiefst persönlich. Die alten Chinesen haben zwar gewußt: "Wer mir schmeichelt, ist mein Feind. Wer mich tadelt, ist mein Lehrer", aber das gilt nicht mehr. Richtig muß es heißen: "Wer mich tadelt, ist mein Todfeind ein Leben lang. Nur wer mich lobt, hat Geschmack!"
- Du bist am wichtigsten. Bevor Du selbst auch nur eine Minute Deiner wertvollen Zeit investierst, lasse lieber 100 Teilnehmer eine Stunde warten. Merke: Eine Minute von Dir >> 100 Stunden der Teilnehmer...